2005-11-20

DB Reisezentrum

Diese kleine Episode ist mir vor Jahren mal passiert, aber ich dachze ich stelle sie hier mal ein wo ich sie sowieso auf der platte hatte:

DB-Reisezentrum, Hamburg Hauptbahnhof, kurz nach elf. Mindestens fünf verschiedene Warteschlangen zu so unterschiedlichen Schalterclustern wie „Express ohne Information ohne Reservierung“, „Abholung, Fahrscheine Inland, Reservierung“. Ein über 90-jähriger Opa mit fast ebenso ücheliger Oma im Schlepptau, von den Menschenmassen und der neuen kundenorientierten Schalteranordnung sichtlich überfordert wählt er die Flucht nach vorn. Aber der Herr am Expressschlater (ohne Reservierung, ohne Information) erklärt ihm, er dürfe nur Hochschwangere vorlassen (die Dienstanweisung würde ich gerne mal sehen) und so tappst er etwas hilflos durch die Schlangen, bis er sich dann schlussendlich an der meinigen anstellt.

Dann sagt die junge Frau, die als erste vor dem Servicebereich steht: Kommen Sie mal her, gehen’se mal vor, sie fallen ja sonst um, bevor sie dran sind. Er stakst also vor, dann die end-50-jährige zwei Positionen hinter Ihr und zwei vor mir, die aussieht wie eine Kreuzung aus meiner runzeligen Englischlehrerin und meiner dicken lesbischen Religionslehrerin und eine Aidsschleife am Revers trägt: Das ist ja nett, dass Sie den Herren durchlassen , aber eigentlich hätten Sie ja (ihr Ton jetzt sehr gereizt) fragen müssen denn hier stehen ja schließlich noch andere... Ja, ich zum Beispiel denke ich und sage ganz freundlich zu Ihr, Hey, bleiben Sie mal locker. Bringt mir sofort Sympathiepunkte bei dem Mädel vor mir aber nicht bei ihr, sie wird wütend: Was mir einfiele und ich solle mich nicht einmischen. Wieso, denke ich, stehe ja in der selben Schlange, sage aber bloß: Genau das meine ich, bleiben Sie mal locker. Das würde Sie immer noch selbst entscheiden, wann sie locker sei. Prima denk ich, dann lass Dir dabei helfen wenns so schwer ist. Denke ich aber bloß und halte dieses mal den Mund. Sie ob meiner Dreistigkeit pikiert aber erstmal still.

Später ist sie dran und fertig und geht an mir vorbei und ich leise aber noch hörbar, sehen sie, hat doch gar nicht weh getan. Sie braucht zwei Schritte bis sie sich sicher ist, dass sie das gerade jetzt wirklich gehört hat, bleibt stehen, dreht sich um. Jetzt ist sie sauer. Sehr laut, quer durch den Raum. Was fällt Dir ein, und sagt wirklich die Worte RESPEKT VOR DEM ALTER. Jetzt spinnt sie total denke ich und sage bloß, was fällt Ihnen eigentlich ein, mich zu duzen (wollte ich immer schon mal sagen). Sie sagt, nichts anderes hätte ich verdient (auf den Rotzlöffel warte ich vergeblich) und geht, ich lache ihr fröhlich hinterher und bin dann dran.

big 5

Das bin also ich... hm.
Advanced Big 30 Personality Test Results
Sociability ||||||||||||||||||||||||||||||| 95%
Aggressiveness |||||||||||||||||||||||||||| 89%
Assertiveness ||||||||||||||||||||||||||||||| 94%
Activity Level ||||||||||||||||||||||||||||||| 98%
Excitement-Seeking ||||||||||||||||||||||||||||||| 92%
Enthusiasm |||||||||||||||||||||||||||| 81%
Extroversion ||||||||||||||||||||||||||||||| 91%
Trust ||||||||||||||||||||||||||||||| 93%
Morality ||||||||||||||||||||| 67%
Altruism |||||||||||||||||||||||||||| 90%
Cooperation ||| 4%
Modesty ||| 5%
Sympathy |||||||||||||||||||||||||||| 89%
Accommodation |||||||||||||||||| 58%
Confidence ||||||||||||||||||||||||||||||| 91%
Neatness |||||||||||||||||||||||| 76%
Dutifulness |||||||||||||||||| 56%
Achievement ||||||||||||||||||||||||||||||| 96%
Self-Discipline ||||||||||||||||||||||||||||||| 93%
Cautiousness ||| 4%
Orderliness ||||||||||||||||||||| 69%
Anxiety ||| 6%
Volatility |||||||||||| 40%
Depression |||||||||||| 35%
Self-Consciousness |||||||||||| 36%
Impulsiveness |||||||||||||||||||||||||||| 89%
Vulnerability |||||||||||||||||||||||| 71%
Emotional Stability |||||||||||||||||| 54%
Imagination |||||||||||||||||||||||| 71%
Artistic Interests ||||||||||||||||||||||||||||||| 93%
Introspection |||||||||||||||||||||||| 72%
Adventurousness ||||||||||||||||||||||||||||||| 92%
Intellect ||||||||||||||||||||||||||||||| 92%
Liberalism |||||||||||||||||||||||||||| 87%
Openmindedness |||||||||||||||||||||||||||| 84%
Take Free Advanced Big 30 Personality Test
personality tests by similarminds.com

2005-11-15

je regrette everything...

...ist der titel dieses großartigen stückes von dj hell, das aufgrund der repeat-1-funktion meines mobilen musikabspielgerätes zu meinem titelsong für diese reise geworden ist. viel zu früh aufgestanden heute morgen bzw viel zu spät ins bett gegangen gestern, der wakeup-call (ohaiogozaimasu!) holt mich direkt aus dem tiefschlaf. strahlend blauer himmer dröhnt ins zimmer, getupfte wolken und eine fernsicht die so kristallklar wie eine rodenstockbrillemitzeissmarkengläsernbrillenwerbung ist. wir wünschen ihnen noch einen erfolgreichen tag sagt die automatische stationsansagestimme der straßenbahn in hannover, wenn man zur cebit hannover messe laatzen endstation aussteigt. wieder zu viel gefrühstückt (ich kann ja aufs mittagessen verzichten, wird eh billiger), zurück ins hotelzimmer, ein marmeladenfleck auf der krawatte, herrje, was für ein belangloses scheiss-spießerproblem, ich wusste nicht, dass wasser noch fiesere flecken als marmelade auf seidenkrawatten macht, erstmal das jackett drüber und die halbe stunde verbleibende zeit für ein par e-mail genutzt, das diskursprojekt schreitet vorn, sehr schön, jetzt aber los, endlich zur konferenz, der keynote-saal halb gefüllt.

Zunächst kurze warme begrüßungsworte der präsidenten der ifsr oder wem auch immer, dann die keynote speeches. zunächst herr koji omi, mitglied des house of representatives, bis vor kurzen japanischer minister für forschung und entwicklung, berät die japanische regierung immer noch in diesem feld . er gibt einen überraschend tiefen einblick in die hochschul- und forschungsförderungspolitik japans. Kein wunder dass die unis hier so reichlich ausgerüset sind: japan fördert forschung und entwicklung mit ca. 20 milliarden dollar jährlich. Allerdings an vier wissenschaftsbereiche gekoppelt: material science, telecommunication, physics und computer and information science. Was denn mit den humanitaries sei, will ein zuhörer wissen. Naja, wenn diese sich in den genannten bereichen mit technologie beschäftigen würden, dann sicher. pragmatismus auf japanisch. ein professor aus china zitiert eine studie von nonaka, nach der die japanische wissenschaft zwar in einigen bereichen weltspitze sei, aber insbesondere in solchen forschungstätigkeiten zurück nstünde, in der kreativität und innovation gefragt sei. Ob herr omi das auch so sehen würde und wenn ja, was die japanische regierung dagegen zu tun gedenke. Herr omi lässt sich das aufwendig übersetzen, presst die lippen zu einem strich zusammen und sieht den frager aus china mit beiden händen aufs rednerpult gestützt scharf an. er würde die frage nicht verstehen. hat er aber offensichtlich doch, denn er schiebt dann nach, dass er nicht glaubge, dass kultutrelle spezifitäten der japanischen kultur einen größeren einfluss als andere faktoren auf den erfolg der japanischen wissenschaft nehmen würden. Ich frage mich, ob ich gerade zeuge der aktuellen japanisch-chinesischen krise bin.

Im anschluss tritt prof. tamito yoshida hinter das rednerpult und überrascht mich mit einer dediziert ausgearbeiteten hochkomplexen grundsatzvorlesung über die gruindprinzipien der wissenschaft, in der er das newtonsche wissenschaftsmodell grundlegend in frage stellt und ein neues postuliert. Ich lese seinen vollständig vorliegenden vortrag wort für wort mit und bin begeistert, obwohl ich aufgrund seiner ausführlichen referenzen zu konzepten aus der griechischen philosophie, erkenntnistheorie, physik und vor allem aus der biologie nur die hälfte verstehe. Unter anderem folgert er aus der genome theory, dass die der natur zugrunde liegenden machanismen sich nicht als Gesetze, sondern als Programme beschreiben lassen, die gewisse freiheitsgerade beinhalten. genau wie die phenotypischen ausprägungen eines organismus vom genotyp unter dessen realisierung unter bestimmten umweltbedingungen determiniert sind. Ferner versucht er das dilemma der trennung von wissenschaft und praxis bzw. angewandter wissenschaft aufzulösen, in dem er den terminus der designing science einführt: wissenschaft hätte immer das ziel, etwas zu gestalten und der gestaltungsfokus determiniert den gestaltungstyp. grundlagenwissenschaft gestaltet sich also (in meinem verständnis autopoietisch) selbst, während angewandte wissenschaft artefakte gestaltet. ich muss das alles noch mal in ruhe nachlesen, aber mit einem hochkomplexen ausgearbeiteten wissenschaftstheoretischen grundlagenvortrag hätte ich hier wirklich nicht gerechnet. ich bin positiv überrascht.

In der anschließenden kaffeepause wiedersehen mit sugiyama sensei, meinem gastprof am JAIST diesen sommer. er freut sich tierisch über die flasche riesling, die ich ihm mitgebracht habe. die 7 eur in die aufwendige holzkiste waren eine gute investition, wir verabreden uns zum lunch. erse vorträge, erstaunlich interdisziplinär. ein biologe vergleichr das verhalten von zellen im menschlichen körper mit dem verhalten von akteuren in gesellschaften. Dr. Gregory von der university hull hält einen vortrag über ein modell über organisationalen wandel, das sie mit hilfe von luhmanns systemtheorie verbessern will. luhmann, ich bin angetan. Der britische prof vom vorabend referiert über die absurditäten im bisher erfolglosen versuch der britischen regierung, ein programm zur entsorgung nuklearer abfälle aufzulegen.

lunch mit sugiyama. er wollte einen beitrag zu einem graphentheoretischen paper leisten, das hatten wir bei meinem aufenthalt am jaist im sommer besprochen. ich spreche ihn darauf an, er hats vergessen. ich kanns nicht glauben. es ist ihm so unangenehm, dass er mich sofort für abends zum essen einlädt.

nachmittags stellt eine jaist-studentin in unfassbar schlechtem englisch ihre diss vor: sie versucht das individuelle verhalten von individuen mit agenten zu modellieren, die mit persönlichkeitaspsychologischen konzepten füttert, die sie in genetische algorithmen überführt. ich verstehe nicht viel von dem was sie sagt aber es klingt sehr spannend.

Der tag verstreicht eher ereignislos; nach dem letzten vortrag nimmt sich sugiyama.sensei sofort meiner an. im schlepptau noch prof. hori vom jaist sowie zwei studentin, darunter auch die mit den agentenmodellen. prof. hori hat früher in der gegend um kobe gewohnt und führt uns zielsicher in ein yakitori-restaurant, wo ich zu eibem exzellenten yakitori-menü eingeladen werde, wir tafeln zwei stunden, dann zurück ins hotel. auf diese weise bin ich auch elegant (und kostengünstig) um einen abstecher in die hostessenclunbszene kobes herumgekommen. ich fahre mit dem portliner zurück nach portisland und gehe schlafen, denn schließlich muss ich morgen früh meinen ersten vortrag halten.

Der wecker klingelt um 7.20h und ich genieße ein weiteres japanisches frühstück im hotelrestaurant: miso-suppe, reis, gebratener fisch, salzig eingelegte pflaumen, japanisches omlette. Das nato (fermentierte sojasprossen), das sich die japaner zum frühstück in den reis rühren, fasse ich nicht an. es schmeckt so, wie kräftiger schimmelkäse für jemanden schmecken muss, der in seinem leben noch nie käse gegessen hat.

in der ersten session hält sugiyama zuerst seinen vortrag und er zitiert mein wissensmodell in extenso, ich bin ganz stolz. dann bin ich dran und stelle mein paper über die verknüpfung des seci-modells mit dem multi-modalen gedächtnismodell nach engelkamp und zimmer vor. Dr. gregory ist auch unter den zuhörern und gibt ganz doll positives feedback, ich erröte. Sugiyama verabschiedet sich und dann begegne ich jose. Jose aus spanien, 31, graphentheoretiker, in den letzten zügen seiner diss am jaist. seine gegenwart habe ich am jaist immer ganz besonders genossen. wir lunchen zusammen und bringen uns auf den neuesten stand, im anschluss eine weitere session, dann bin ich wieder dran und stelle die skillMap vor. es läuft wie am schnürchen, ich komme gut mit der zeit hin und habe ausführlich gelegenheit, das system zu demonstrieren. Es hagelt nachfragen, vor allem von dr. gregory. Am interessantesten aus meiner sicht die nachfragen von einer gruppe vom institute of Systems Science der Chinese Academy of Sciences um Dr. Xijin Tang. Dort beschäftigt man sich seit über zwei Jahren mit der Unterstützuing von gruppenprozessen durch mapping von personen und themen. Die gruppe hat dazu auch ein system mit dem titel Group Augmentation Environment entwickelt.

Das tool soll die zusammenstellung von gruppen erleichtern und stellt personen und themen grafisch dar, wobei die nähe von personen zueinander engere soziale beziehungen darstellt und begriffe in der nähe von personen autorenschaft symbolisiert. Das ganze ist zwar etwas rudimentär aber vom ansatz her dem unsrigen nicht unähnlich. Dr. Tang habe ich als sympathische und aufgeschlossene junge Wissenschaftlerin erlebt, die uns herzlich dazu aufgefordert hat, zur KSS 2006 (Knowledge and Systems Science) in Peking, die von der Chinese Academy of Sciences gehostet wird, einzureichen.

Nach der session steht das soziale highlight der konferenzu auf dem programm: der dinner cruise! mit 4 reisebussen geht es vom tagungsort zum pier aber noch kein schiff weit und breit. Ich stehe mit jose am wasser, wir frieren. ir reden über meine zeit am jaist, darüber, wie viele ausländer doch auch und vor allem wegen der weiber nach japan kommen. jose meint, ich hätte es in der beziehung ja eher ruhig angehen lassen im sommer; ich sehe mich, die implizite lüge vermeiden wollend, die eine andere antwort beinhaltet jhätte, dazu veranlasst, ihm zu erklären, dass ich nicht im selben team spiele wie er. Hätte ich ihm das früher erzählt sagt er, er hätte mich in kanazawa ein paar leuten vorstellen können. ich bin gerührt, das schiff läuft ein. die concerto, ein vergnügungsdampfer der deutlich größer ist, als ich erwartet habe. wir boarden.

gedränge, und erst auf dem schiff bemerke ich, dass an unseren tickets kleine papierschnipsel mit buchstaben angetackert sind. alle haben A und werden deshalb in den großen festsaal in den bauch des schiffes gelotst, nur auf joses und meinem ticket steht ein C. und so werden wir in die 'diamond lounge' auf dem oberdeck geführt. ein separee für vielleicht 20 personen mit schweren weißen tischdecken, kronleuchtern, einem eigenen buiffet, sofaecke, und einer eigenen klavierspielerin! ich halte das zunächst für einen irrtum, vom gefühl her sollten hier nur professoren sitzen, aber jose zwinkert mir zu. da fällt mir ein, dass ich das ticket ja von akiko bekommen habe, mit ihr hatte ich im sommer eine gute zeit und sie ist ja im organisationskomittee dieser konferenz... und tatsächlich, sie hat einen großteil der ausländerclique in die lounge gemogelt, großartig! während unten noch reden gehalten werden, die über lautsprecher zu uns übertragen werden, stürzen wir uns aufs buffet. eile ist geboten, dennn laut programm geht der cruse von genau 19.20h bis 21.05h. so absurde programmzeiten gibt es wahrscheinlich nur in japan, aber um es gleich vorweg zu nehmen: um punkt 21.05h legen wir wieder an. Aber vorher speisen wir königlich, geizen nicht mit dem rotwein und genieße4n die aussicht aufs nächtlich erleuchtete kobe.

zurück am pier sind wir in feierlaune und beschließen, noch in eine bar zu gehen. der bus bringt uns nach sannomiya, wo jose, akiko, shoko und wie-heisst-sie-doch-gleich eine nette bar ansteuern. ohne dass es abgesprochen gewesen wäre bestellen wir alle harte sachen, cuba libre, gin tonic, whiskey... wir bleiben bis 2 und stellen uns ordentlich einen rein. lampen an, ganz großer spaß. shoko, akiko und ich teilen uns das taxi zurück nach port island. ich taumle ins bett. was für ein tag.

Am nächsten morgen komme ich nicht wirklich pünktlich hoch, zur ersten session bin ich zu spät und das frühstück im hotel musste auch ausfallen.

2005-11-14

earthly paradise?

völlig absurd, dass 'wir sind helden' ihren aktuellen hit erstens ins japanische übersetzt haben (sa itte miyo) und zweitens das ausgerechnet von meiner japanischlehrerin naoko sato. und so dudelt das ding aus meinem ipod, schöne untermalung für diesen etwas wirren grauen tag. auch passend: 'je regrette EVERYTHING' von dj hell im superpitcher remix (danke hans)(zu haben auf beatport.com).

um 7.30h der wecker, draußen grau in grau, der himmel und die betonnene unendlichkeit darunter, japanisches frühstück mit miso-suppe, fisch, salzigen eingelegten pflaumen und reis, mit dem portliner rein nach kobe, aber viel zu früh, alles öffnet erst um 10 oder 11, die stadt genauso in einem zwischenstadium wie gestern nacht, ich laufe durch die einkaufsgassen und durch chinatown, ein kaffee wäre super, es braucht fest 20 minuten bis ich ein kaffee ausgemacht habe, in dem es erstens heisen kaffee und zweitens selbigen auch zum mitnehmen gibt. irgendwann ist es dann doch 11, inzwischen habe ich eine gute mentale karte der stadt. warum kann sich dieses land eigentlich diesen überschuss an personal leisten? japan ist weißgott kein niedriglohnland, aber an jeder noch so kleinen baustelle steht einer, der nur dafür bezahlt wird, eine fahe oder einen leuchtstab zu schwenken um passsanten und oder autos vor der offensichtlichen gefahr zu warnen. diese unendlich vielen leute in den kaufhäusern, in der boutique, in der ich mir ein neues hemd kaufe sind drei verkäuferinnen in meiner nähe, eine um mich bemüht und nach dem zahlen kommt - selbstverständlich hier - der kassierer mit der tüte hinter dem tresen hervor, begleitet mich bis zum ausgang und übergibt mir dort die tüte. domo arigato gozaimasu!

ich gehe zum zentralen pier mit den sehenswürdigkeiten: kobe tower (belanglos), das maritime museum (montags geschlossen) und dem kobe earthquake memorial park. zwei sachen fallen mir daran auf. erstens ist er ganz schön klein ob der tatsache, dass er an eine der größten naturkatastrophen in der geschichte japans erinnern soll. zweitens, und das finde ich wirklich schockierend: überall fotos vom ausmaß des wirtschaftlichen schadens. in einer vitrine mit der überschrift "scope of earthquake damages" werden ausschließlich die ökonomischen folgen dargestellt. der hafen von kobe zu 90 % zerstört, darüber gingen aber 70% des güterverkehrs des landes, daher ökonomische krise usw. endlose videohelikopterflüge über die zerstörten hafenanlagen, bei jeder einstellung leuchtet die betroffene stelle in roter led-umrandung auf einem 3x3m-modell des hafens unter dem video auf. über die opferzahlen und das menschliche leid kein wort. Auf einem gedenkstein erfahre ich dann doch, dass über 40.000 menschen ums leben gekommen sind. über diese dokumentationstechnische schieflage kann mich auch die beeinbdruckende erhaltung eines stückes pier im originalzustand direkt nach dem beben nicht hinwegtrösten.

auf dem pier gegenüber ein riesiges quadratisches zelt mit tagesleuchtfarbenen buchstaben: earthly paradise 2005, hiro yamagata. sieht nach kunst-kacke aus, ich gehe hin, zahle 700 yen eintritt ohne zu wissen, worauf ich mich einlasse. ach so. der typ hat 12 uralte mercedes 220 cabrios (aus den 20ern?) mega-aufwendig bemalt, da stehen sie nun vor mir, in schwarzer halle mit leuchtenden farben, die motive fast schon kitsch underinnern mich in teilen an airbrush-motive: eine elefantenherde vor dschubgelhintergrund an tränke bei nacht. blumen. ozeanmotive mit wssser und muscheln. üppige leuchtende farben, stark ins kitschige. und das auf diesen traumautos. blöde und vulgär denke ich zunächst, wie in einem oldtimer-museum. aber je länger ich zwischen den dingern umherlaufe, desto mehr gefällt mir das. aber nur wegen des titels: paradies auf erden. paradiesische motive, unberührte natur in leuchtenden fröhlichen farben auf wunderschönen alten autos, die für jeden wertekonsdervativen spießer einen unerreichbaren besitztraum darstellen - das finde ich eine wunderbare konzeptualisierung des paradiesbegriffs. ich muss grinsen.

ich fahre zurück ins hotel, dusche, ziehe das neue hemd an (ärmel zu kurz und kragen zu weit), mache mich fein, gehe ins netz, mache e-mails, schaue aus dem fenster, höre musik. Ich bin eine stunde zu früh, der empfang ist erst um sechs aber ich bin schon um 16h in meinem zimmer. draußen wird es dunkel, ich trinke tee aus der elektrischen teemachmaschine in meinem hotelzimmer, liege auf dem bett und denke nach. was zum teufel mache ich hier eigentlich. die zeit vergeht langsam, je regrette EVERYTHING. das zimmermädchen hat offensichtlich eines meiner beiden großen handtücher ersatzlos mitgenommen. wenn sie das morgen noch mal macht, habe ich nichts mehr zum mich-abtrocknen. ich mache ein foto von mir vor dem spiegel. 'na, findest du dich wieder toll?' hätte daniel früher zu mir gesagt. stirb. endlich ist es zeit zu gehen.



Als ich am internationalen konferenzzentrum zur ifsr 2005 ankomme merke ich, dass registration bis 18h war und der empfang um 18h losgeht. ich bin also zu spät aber egal, alle schon da, nur josé und sugiyama sensei fehlen, großes wiedersehen mit tunc, andre. shoko und akiko, händeschütteln mit nakamori-sensei. Es gibt sushi und hähnchen, ich esse schon wieder zu viel verdammt, ohne den ausgleichenden sport werde ich dieses mal zu- und nicht abnehmen, verflucht. Ich fange an mich zu betrinken. die party geht laut programm von 18-20h, d.h. um 19.45 wird abgeräumt und um punkt 20h verlassen wir als letzte den saal. wir sind in dieesm falle ein professor aus england und ich. wir hatten uns bis dahin schon den ganzen abend köstlich unterhalten, er war 5 jahre bei der britischen botschaft und arbeitet seit dem an einer japanischen uni, japanisch spricht er auch. wir beschließen, noch in die bar des konferenzhotels zu gehen, wo wir die einzigen gäste sind. wir bestellen long island ice tea, wir sind beide voll, sprechen über wissenschaft in japan usw usf, irgendwann kommen ins private. er hat familie aber ausscjlielich in england, frau, kinder, enkelkinder. mir fällt auf, dass er keinen ehering trägt. er liebe japan, er hätte hier ein 'interesting social life' . dann fängt er an, mir von seinen zei freundinnen zu erzählen. oh gott denke ich, verflucht, dasd klischee stimmt doch immer wieder: meistens kommen sie wegen der frauen. er schwärmt mir von den asiatinnen vor, dabei ist er mindestens 60. er zeigt mr eine sms von wegen ich vermiss dich und komm mich besuchen, aber sagt er, die ist von einer hostess und sieht mich verscgwörerisch an. über die japanischen hostclubs, in denen man für konversation mit damen bezahlt, weiß ich bescheid, wir reden lang und breit über diese merkwürdige japanische institution während wir uns ordentlich einen reinstellen. ich merke, dass er in diesen etablissements stammgast ist. ich muss an professor unrat von heinrich mann denken. wir bezahlen (getrennt, geizhals) und dann sagt im rausgehen, orgen abend stünde doch nichts offizielles auf dem programm, er würde mir gerne einenhostclub in sannomiya zeigen. 4000 yen die stunde. schaun mer mal. oh gott. abgründe. schnell ins bett.

2005-11-13

hallo welt

myowelt habe ich mein blog genannt; myo ja als präfix für ganz ganz kleine dinge: ein kleiner ausschnitt aus meiner kleinen welt. kein tagebuch, nur schnipsel.

heute fühlt sich meine kleine welt ganz groß an. weil ich sie heute in kobe erlebe, meine erste kongressreise ins ausland, allein. die inszenierung eines klischees. flughafenbekanntschaften mit visitenkartentausch (www.karajohnstad.com), onflightentertainment in der economy-class, rotwein und schlaftablette verschaffen mir gerade mal 3 stunden schlaf, höchstens, ankunft osaka kansei 8:47 lokale zeit also 0:47 deutsche zeit. das lächeln schon etwas gequält. bus nach osaka hauptbahnhof, gepäck wegschließen. denkste. alle schließfächer belegt, ich finde ein schild von wegen gepäckaufbewahrung aber kann die ortsbeschreibung nicht entschlüsseln, das kleine geschlechtslose japanische männchen, das ich mit meinem restjapanisch um hilfe frage (sumimasen, kore ha dochira desu ka?), reagiert ganz wunderbar japanisch: klar will er mir helfen, nimmt mich gleich ins schlepptau, hat aber offensichtlich selbst keine ahnung, findet es selbst nicht, telefoniert eine freundin per handy herbei (wo kommt die so schnell her?), ratlosigkeit im doppelpack, wir zu dritt zur information, da werden sie geholfen, ich bekomme eine wegbeschreibung und die beiden verschwinden.

in osaka erst mal klischee olé: shopping. bei takeo kikuchi hätte ich wieder den ganzen laden leerkaufen können (und der verkäufer gab sich alle mühe mich von dem vorhaben nicht abzubringen), bin aber dann doch 'nur' mit kapuzenshirt und longsleeve da raus. weiter durch die stadt gelaufen, plötzlich straßenfest mit tanz und vielen großen und kleinen menschen. irgendwann genug, weiter mit dem zug nach kobe. aber zuerst verlaufe ich mich im unterirdischen gedärm zwischen osaka hankyu, osaka umeda und einem kaufhaus so dermasßen, dass ich fast 20 minuten brauche, um meine orientierung wiederzufinden. Das ist auch so eine sache, die ich bereits bei meinem letzten langen besuch als typisch japanisch erlebt habe: das unterirdische bahnhofsteile mit anderen u-bahnstationen, übergangstunneln und kaufhaustiefgeschossen eine wirre schier endlose parallelwelt aufspannen, die von einer dermaßenen gier nach konsum getrieben und bevölkert wird, dass es unvorstellbar ist., alles voller cafés und läden. Klar hat man bei uns auch in den 70edr jahren versucht, fußgängerunterführungen mit läden zu füllen, das bonner loch ist mein lieblingsbeispiel, aber das sind immer kloaken geworden in denen sich bestenfalls dönerbuden und viatnamesische blumenverkäufer halten. wer käme in bochum auf die idee, in der unterführung zwischen hauptbahnhof und wertheim ausgiebig in edelboutiquen teure importware zu shoppen? wenn die deutschen die passagen so exzessiv bevölkern würden wie die japaner es stets und ständig tun hätten wir kein problem mit der binnennachfrage. Aber durch diese merkwürdige über-und unterführungsshoppingarchitektur, die einen von einem konsumtempel in den nächsten befördert, bekommt man so eine ganz merkwürdige wahrnehmung der stadt als fast irreal, weil dieses drinnen-draußen-konzept, diese trennung, verschwimmt. Endlich finde ich meinen bahnhof, kaufe ein ticket (zweite bewährungsprobe für mein restjapanisch) und fahre los.

Zwischen osaka und kobe nimmt die bebauungsdichte nicht ab, die gesamte buchtbebauung eine einzige megastadt, unterschiedliche namen nur politische und willkürlich erscheinende konstrukte. Von kobe sannomiya mit dem portliner auf portisland, künstlich aufgeschüttete insel vor kobe mit genauso gesichtslosen betonwürfeln wie überall sonst in japan, konferenzzentrum, hotels, wohnungen, eine schule, ein krankenhaus.

Nach der herbeigesehnten dusche möchte ich eigentlich nur noch ins bett aber nix da, so klappt das mit dem jetlag nicht, es ist ja erst 18h, also wieder auf, zurück in die inzwischen künstlich erleuchtete stadt zum abendessen, ich habe seit dem frühstück im flieger keine einzige kalorie zu mir genommen und mein magen knurrt. zielsicher wähle ich in kitano-cho ein udon-restaurant, dass, wie sich nachdem ich mich niedergelassen und bestellt habe herausstellt, auch von den örtlichen prostituierten (bzw. der japanischen version davon) bevorzugt wird. die knapp bekleidete dame, die mich auf der straße mit "massage, sir?" ansprach, betritt jedenfalls kurz nach mir mit zwei weiteren freundinnen im schlepptau den laden; sie sehen so aus, als würden sie das gleiche machen. das spricht aber zumindest nicht gegen die qualität des essens denke ich. spezialität des hauses scheint neben udon als beigabe ein metall-eimer mit satten 300g kimchi zu sein, für 500 yen. Ich kanns mir verkneifen und schlürfe mein udon seto in rekordzeit.

draußen packt mich plötzlich die gier nach süßem, ich kehre auf meinem fogenden spaziergang in dreien dieser kleinen bäckereien ein die es überall gibt; mit einem kleinen tablett und einer zange bewaffnet bedient man sich aus den appetitlichen regalen voller bällchen, törtchen, gebäck... süßgebäck mit schwarzem sesam werde ich mal nach deutschland importieren und damit millionär werden. mit vollem magen und schlechtem gewissen gehts nach einem kurzen gang durch die chinatown kobes zurück zum hotel. Ich bringe den wlan-adapter, den mir die rezeptionisten, die mit ihrem von einer beachtlichen deformation des schädels (die sie erfolglos mit ihren haaren zu verdecken versucht) leicht entstelltem gesicht in einem japanischen horrorfilm mitspielen könnte, ausgehändigt hat, zum laufen und erledige noch emails.

um 22.30h endlich die zeit fürs bett, ich schlafe sofort ein.